Opening Times:
Tue - Fri 11 am - 7 pm
Sat 11 am - 2 pm
Location:
SUPPAN Galerie
Habsburgergasse 5, 1010 Vienna
Contact:
office@suppan.art | +43 1 535 535 4
Exhibition text (german):
Julia Brennacher
Playing Field
Mit dem Titel „Playing Field“ bezieht sich die Innsbrucker Malerin Julia Brennacher (*1983) nicht nur auf das Zusammenspiel der einzelnen Leinwandwerke in der Ausstellung, sondern auch auf ihre konzeptionelle Vorstellung von Abstraktion und Malerei als Impulsgeber für ihre künstlerische Praxis. Ihr Zugang nähert sich dabei einer Methodik variabler Spielzüge an, mittels derer die Künstlerin vielfältig ihren experimentellen Zugang zur abstrakten Malerei auslotet. Das Spielfeld eröffnet uns Betrachter:innen die Assoziation eines modularen Kompositionsschemas, welches die Künstlerin aufgreift, um unterschiedliche Formen und malerische Gesten alternierend und rhythmisch zueinander in Beziehung zu setzen. Somit verdichtet sich das Spielfeld in der Gesamtheit aller möglicher Spielzüge zur künstlerischen Metapher eines Playbooks, das die unterschiedlichen Leinwandformate im Galerieraum zu dynamischen Spielfiguren werden lässt. Die Künstlerin sammelt Formen als maltechnische Handlungspraxen, indem sie diese zu einem mannigfaltigen Dialog unterschiedlicher Auswahlmöglichkeiten kombiniert. Darin manifestiert sich auch ein Konzept der Gleichzeitigkeit, da sich alle Elemente, ähnlich einem modularen System, zueinander gleichwertig verhalten.
Um so faszinierender ist es in diesem Zusammenhang weiter am Playbook Gedanken zu festzuhalten, da sich die Formvariationen zum Teil durch unterschiedliche formale Maltechniken generieren: sei es die Übersetzung zwischen planem Pinselstrich und der Handbewegung der Künstlerin oder schnellen, linearen Setzungen, die durch das Arbeiten mit Abklebungen vorgenommen werden. Das Spielfeld als Metaebene der Komposition wird im Speziellen bei den Großformaten deutlich. „Die Markierung des äußeren Bildrandes, eine Art von Rahmenmotiv, welche in den größeren Arbeiten häufig auftaucht, ist oft die erste malerische Setzung, die ich vornehme. Vielleicht ist dies der Moment, in dem ich quasi das Spielfeld abstecke, um beim Ausstellungstitel zu bleiben. Ich tue dies gedanklich und malerisch, um mir die Frage zu stellen, was sich in diesem Feld abspielen kann.“ Während allen Großformaten die Titelbezeichnung „Ohne Titel“ gemeinsam ist, bündeln sich die in der Ausstellung zu sehenden Kleinformate unter dem Werktitel „The Wandering Eye“. Auch wenn sich die Bezeichnung dieser Werkserie mit dem Moment „jemanden einen Blick nachzuwerfen“ übersetzen ließe, geht es der Künstlerin vorerst um das Sehen als einem wesentlichen Teil des künstlerischen Werkprozesses. „Für mich übersetzt sich der Titel zuallererst als ein umherschweifender Blick,der sich unmittelbar vom Arbeitsprozess im Atelier herleitet. Die kleinen Formate entstehen immer in Gruppen und es geht mir hier um ein Sammeln, Vergleichen, Ordnen, Auffächern unterschiedlicher Bildlösungen. Und auch den Beziehungen zwischen den einzelnen Arbeiten gilt mein Interesse. Während des Malens ordne ich sie ständig neu.“ Inzwischen ist daraus eine seit 2021 fortlaufende Bildserie entstanden, die auch eine Gesamtentwicklung des im Kleinformat konzentrierten Formenspiels ablesbar macht.
Julia Brennacher Werke entstehen immer geschlossen für ein Ausstellungsprojekt. Auch wenn die Künstlerin die Werke als Einheit entstehen lässt, funktioniert jede Arbeit für sich alleine eigenständig, eben wie auch ein Spieler mit seiner Mannschaft am Spielfeld individuell agiert. Für die Galerie Suppan und die darin zu findenden hohen Raumnischen, sind beispielsweise speziell Hochformate entstanden, die zusätzlich auf bemalten Podesten stehen und die gestaffelte Raumarchitektur der Galerie aufnehmen. Die bemalten Podeste greifen zudem die Objektbeziehung der Minimal Art auf und erweitern als Farbkörper die Malerei um ein dreidimensionales Element. In ihren einfachen, dem Geometrischen angenäherten Formen erinnern diese Objekte an bunte Klötze oder Bausteine und greifen den Aspekt des Spiels wiederum auf.
Wenn sich die Definition von Abstraktion bei der Künstlerin mit dem Spielfeld übersetzt, versteht sie darin auch die Aneignung und Adaption unterschiedlicher, aber vor allem historischer Malereipraxen. So zeigt sie sich ebenso fasziniert von der Verwendung der oft pastos aufgebrachten Ölfarbe wie auch dem sehr unmittelbaren Auftragen von Sprayfarben. Oder der Verwendung eines groben Leinwandgewebes bei den Kleinformaten, die eine Auto-Poetik zwischen dem eigendynamischen Verhalten des verwebten Leinens und dem Farbauftrag der Künstlerin impliziert. Der Abstraktionsbegriff bei Julia Brennacher ist ein kunstgeschichtliches Referenzsystem, das verschiedene Anwendungs- und Übersetzungstechniken der Malerei dekliniert. Das beinhaltet Wassily Kandinsys Vorstellung zu Synästhesie zwischen Abstraktionsraum und Farbklängen genauso wie die formal konzeptionelle Auffassung des amerikanischen Künstlers Christopher Wool, der in seiner Malereiauffassung mehr auf die Werkzeuge (wie z.B. Pinsel, Schablonen oder Walzen), mit denen er das Bild entstehen lässt, fokussiert, denn auf das, was er damit malt. Was wieder an den pragmatischen und formfindenden Einsatz des oben beschriebenen Pinselstrichs der Künstlerin erinnert. Das zeigt auch eine Nähe zu Martin Creeds konzeptionellen „Step Paintings“ auf, der im Kleinformat mit genormten Haushaltspinseln einzelne, cremig bunte Farbschichten tortengleich aufeinandertürmt,um daraus eine gewisse Fröhlichkeit für sich zu behaupten. Auch wenn Brennacher sich selbst nicht so stark der konzeptionellen Strenge von Martin Creed vergleichbar sieht, ergänzen sich doch seine Farbigkeit, Formfindung und seine ambivalente Heiterkeit mit ihrem Ansatz. Die Künstlerin kondensiert ihre künstlerische Praxis aus dem Farbspektrum der uns vorliegenden Gegenwartskultur, die in einem beständigen Sinne den designten Oberflächen verschiedener digitaler Medienkanälen oder Instagram Filtern folgen und eben keine ästhetische Gefälligkeit sind. „Diese Farbigkeit“, so sagt die Künstlerin, „in der immer wieder stark artifizielle Töne wie auch softe Pastelle auftauchen, kann auch als subjektive Übersetzung unserer Gegenwart gelesen werden, in der heute vieles durchgestylt erscheint und Einflüsse aus Pop, Mode und Design wie auch unserer Konsumkultur anklingen.“
Julia Brennacher beschreibt und verdichtet ihre konzeptuelle Auffassung zur Kunst mit den Mitteln der Malerei, indem sie u.a. die Titelgebung, die Leinwand, den Keilrahmen, die Pinselführung, den ausgesparten Bildrahmen oder die bemalten Podeste zu modularen Werkzeugen der Abstraktion transferiert. Zusätzlich sind die Arbeiten non-narrativ, aber mit dem Ausstellungstitel „Playing Field“ erhalten sie eine narrative Dynamik, die ihnen einen konzeptionellen Handlungsrahmen schafft. Dieser überträgt sich auf den Ausstellungsraum, der damit die Bilder zueinander öffnet und im übertragenen Sinn einen begehbaren, dreidimensionalen Farbraum entstehen lässt. Denn bleibt man bei der Metapher des Spielfelds, könnte man die Interaktion der Werke, fast einem Ballspiel gleich, als akustisches Motiv wahrnehmen, das nicht nur mannigfaltig die Formfindung der Bilder weiterzuspielen scheint, sondern auch einen erweiterten Bildbegriff zu attestieren imstande ist.
Text: Karin Pernegger