Opening Times:
Tue - Fri 11 am - 7 pm
Sat 11 am - 2 pm
(on the four advent saturdays 11 am - 5 pm)
Location:
SUPPAN Gallery
Habsburgergasse 5, 1010 Vienna
Contact:
office@suppan.art | +43 1 535 535 4
Exhibition text (german):
Dénesh Ghyczy
Der ideale Raum
„Ein Raum, der aktiv geworden ist, der blüht, reift und vergeht.
Im Gegensatz zum <Raum als Grenze>.
Die Vorstellung des Raumes fast immer mit der Passivität verbunden.
[…] Im Gegensatz dazu ein handelnder Raum, wo die Körper nur Flugbahnen wären.
[…] Ein richtig verstandener Raum umfasst ein großes Spiel von Öffnungen, Zirkulationen, Wechselbeziehungen und Durchdringungen […].“
(André Masson, „Abschweifungen über den Raum“, 1948/49)
In der Ausstellung Der Ideale Raum kehrt Dénesh Ghyczy zu dem zeitlosen, tief in der DNA seines Œuvres verankerten Thema der Dialektik des Drinnen-und-Draußen zurück. Er schließt damit an die ältere Inside Outside-Serie an und geht in der malerischen Befragung einer dynamischen Wahrnehmung von Raum über diese hinaus. So geraten in seinen neuesten Werken ikonische Orte moderner Architektur durch ihre Übertragung in das Medium der Malerei in zuweilen prekäre Verhältnisse. Boardwalk, eines der zentralen Bilder der Ausstellung, zeigt in einer intensiven Farbpalette, wie sich die offene, modernistische Stahlkonstruktion einer Strandpromenade, eingebettet in die sie umgebende Natur, im Spiel von Licht und Schatten aufzulösen scheint. Malerische Entscheidungen, wie die Wahl von Farben und Pinsel, die Varianz im Farbauftrag, der teilweise durch den Einsatz von Klebestreifen und Stickern wieder abgetragen wird, dominieren das Bildgeschehen und unterwandern die streng orthogonale Gerüststruktur.
Noch weiter treibt der Künstler den Prozess der Abarbeitung an der Textur seiner Bilder in System, einer ausschnitthaften Darstellung des transparenten Glaskörpers der Fondation Cartier von Jean Nouvel in Paris. Während sich die fluide Architektur des Museumsbaus symbiotisch mit der Natur arrangiert, ereignet sich auf der Fläche der Leinwand ein piktoraler Wettstreit zwischen Vegetation und Konstruktion, Chaos und Ordnung, zwischen der zentralperspektivisch organisierten, architektonischen Struktur und der ausufernden, malerischen Pflanzenwelt. Man könnte meinen, dass hier der Idee des illusionistischen Bildraums, im Geiste Leon Battista Albertis berühmter Metapher des Bildes als Fenster zur Welt, mit der Flächigkeit der Leinwand konkurriert, die durch die Gitterstruktur betont wird. Dass dies nicht notwendigerweise der Fall ist, dass das Gitter, das Fenster, die Glasfassade sich in ihrer Durchlässigkeit mit der Natur verschwistern, das Drinnen und Draußen versöhnen, belegen nicht nur zahlreiche Beispiele zeitgenössischer Architektur. Ghyczys Gemälde finden für dieses Phänomen des Porösen und Fluiden, für den Verzicht auf klare räumliche Abgrenzungen zu Gunsten eines radikal dynamischen Raumverständnisses, eine adäquate malerische Ausdrucksform, die gleichzeitig die Bildfläche überwindet und in ihrer Materialität feiert.
Das Bild Museum tanzt in mehrfacher Hinsicht aus der Reihe. In erster Linie, indem es eine ganz andere, in der Museumsarchitektur durchaus gebräuchliche, Möglichkeit der Öffnung offeriert, nämlich der des Deckenfensters, oder wie es in der Fachsprache heißt: des Oberlichts. Davon abgesehen präsentiert sich der klassische Museumssaal ungewöhnlich geschlossen, karg und grau. Einzig eine Figurengruppe, bestehend aus drei sitzenden Rückenfiguren und einer Großteils verdeckt liegenden Gestalt, bevölkert den bühnenhaften Raum. In Aktion treten jedoch nicht die Figuren. Vielmehr entspinnt sich das Geschehen auf der Ebene der Malerei selbst, in den breiten rosaroten Schlieren, die wie Fetzten von der Decke hängen, im Raum flottieren und das Haus buchstäblich als Ruine demaskieren. Wie ideal dieser Raum ist? Vielleicht hat er seine beste Zeit hinter sich. Oder aber man fragt die jungen Leute, die da einfach so abhängen.
Wie der ideale Raum im Privaten aussehen könnte, lässt der Künstler in Private Utopia durchblicken. Das Bild stellt einen sonnendurchfluteten, stilvoll und gemütlich eingerichteten Wohnraum dar, in dem eine junge, in ihr Buch vertiefte Frau mit hochgezogenen Beinen auf einem Sofa platzgenommen hat. Wie so oft in Ghyczys Arbeiten erscheint die Figur melancholisch und weltfremd. Der im Œuvre des Künstlers häufig vorkommende kunsthistorische Topos der Rückenfigur deutet darauf hin, dass diese zumeist einzeln auftretende Figuren weniger einer Narration dienen, denn als Einstiegs- und Identitifikationsmoment für die Betrachter*innen. Sie erfüllen damit eine Funktion im Bildraum, ähnlich einem Vektor, der eine Blickachse oder Bewegungsrichtung andeutet. Das eigentliche Drama spielt sich auf einer anderen Ebene als der Figürlichen ab, es ereignet sich in der malerischen Darstellung flüchtiger Phänomene, wie Licht und Schatten, Glanzlichter und Spiegelungen, in wellenförmig wogenden Pinselstrichen, die sich wie ein schwebender Klangteppich über die Bildfläche ausbreiten.
Es scheint, als wäre die Harmonie, die flirrende Atmosphäre in Ghyczys Werken einem permanenten dialektischen Balanceakt geschuldet, einem Abarbeiten an den Möglichkeiten, die ihm das Medium der Malerei zur Verfügung stellt, sowie an den Verhältnissen von Drinnen und Draußen, Architektur und Natur, Ordnung und Chaos, Kontrolle und Zufall, und als wäre der ideale Raum das Fixieren eines Moments der Stille in diesem Prozess des ständigen Abwägens und Ausschweifens im großen Spiel von Öffnungen, Zirkulationen, Wechselbeziehungen und Durchdringungen.
Text: Alexandra Hennig